So kommt man auf Ideen. Ich zumindest

14.01.2014

Menschen wie ich leben davon, dass man sie anruft und fragt: ?Hast du nicht eine Idee?? Meine allererste Idee besteht dann regelmässig darin zu behaupten, ich hätte eine. Um gleich darauf einen Rückzieher zu machen: ?… aber lassen Sie mich ein wenig darüber nachdenken?.

Anschliessend setze ich mich an meinen Schreibtisch und starre vor mich hin. ?Schönes weisses Blatt?, denke ich, ?vielleicht besteht die gute Idee darin, es zu beschreiben. Wie es mich ansieht. Erst freundlich. Dann bedrohlich. Bis ich aufstehe, um zum Regal zu gehen?. Das denke ich so lange, bis ich aufstehe, um zum Regal zu gehen. Dort stehen viel Bücher, in denen Autoren die Kunst des Ideenhabens beschreiben. Das heisst: Sie bieten keine einzige konkrete Idee. Hinweise wie den folgenden sucht man vergeblich: ?Sollten Sie eine Idee für ihre Kolumne in diesem wunderbaren Monatsmagazin RB suchen, dann schreiben Sie doch darüber, welche verheerende Wirkung der Anblick schöner Frauen auf den Intelligenzquotienten von Männern hat. Haben Forscher der Uni Nijmegen (Niederlande) herausgefunden. War 2009, aber immer noch interessant. Männer sind derart testosterongesteuert, dass sie ihre spärliche Intelligenz mit dem Herum-Posen verbrauchen. Nun machen Sie schon!? Nichts davon.

Stattdessen erklären die Autoren, wie man gute Ideen produziert. Sie sind also wie Köche, die tiefenscharf beschreiben, wie man exzellentes Essen kocht, ohne uns auch nur ein winziges, ungelenk mit Frischkäse bestrichenes Stück Brot zu servieren. (Sollten Sie ? nur so als Idee ? einen provokanteren Vergleich bevorzugen: Diese Autoren sind wie Eunuchen, die Fortbildungskurse in Sachen Kamasutra veranstalten, ohne jemals einen hochzubekommen.)

In diesen Büchern kann ich dann lesen, ich hätte keine Ideen, weil mein Gehirn darauf geeicht sei, die inspirierende Wirklichkeit auf langweilige Muster zu reduzieren. Das hilft mir tatsächlich weiter, wenn auch anders, als geplant. Denn wegen der Erkenntnis, dass ich zu blöd fürs Ideenhaben bin, lasse ich meine Stirn verzweifelt aufs weisse Blatt sinken. Dieser Gefrierpunkt der Kreativität bringt mich schliesslich dazu aufzuspringen, durchs Büro zu tigern und zu denken: ?Ich bin gescheitert, der Job ist weg, ich ende sicher als Gebrauchstextautor, der beschreiben muss, welche Kamasutra-Stellungen gut für schöne Frauen sind, die unter von blöden Männern schlecht gestrichenen Frischkäse-Broten leiden.? Ich verwerfe die Idee sofort wieder, bemerke aber erleichtert, dass ich erste vage Ideen zu formen beginne. Und das damit zu tun hat, dass ich mich bewege.

Ich habe obiges Drama unzählige Male durchlebt, weshalb ich Sie direkt mit meinen einschlägigen Erkenntnissen versorgen will. Es besteht eine enge, bisher wenig erforschte Wechselbeziehung zwischen Kopf und Körper. Das heisst: Wir denken tatsächlich mit dem ganzen Körper: Wer sitzt verblödet, wer sich bewegt, wird klug. So ist etwa eine lockere Joggingrunde der beste Weg, um Ideen zu produzieren, zu ordnen und wieder zu vergessen. Zigfach erprobt. Wer ein Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten will, ist gut damit beraten, jedesmal einen anderen Plätze einzunehmen, um seinen Gedanken Raum im wahrsten Sinne des Wortes zu geben.

Weil Sie diese Kolumne sicher im Sitzen gelesen und daher nur teilweise verstanden haben, lade ich Sie nun zu einem gemeinsamen Spaziergang durch den winterlichen Park ein. An dessen Ende werden wir unter einer Lawine brillanter Ideen verschüttet worden sein ? womit es mir zum ersten Mal in meiner langjährigen Kolumnistentätigkeit gelungen wäre, die Zeitform des Futur II passiv sinnvoll einzusetzen. Auch so eine Idee, die ich immer schon mal realisieren wollte.

Erstmals erschienen im Jänner 2013 im Red Bulletin auf der letzten Seite

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