Fundstück: Brief aus dem Bergwerk vom 24.1. 1998

23.02.2016

>From email-abo@intern.zeit.de Thu Jan 15 00:53:14 1998
From: email-abo@intern.zeit.de (ZEIT-Newsletter)
To: Abonnement@derzeit (Abonnent der Zeit)
Date: Wed, 14 Jan 1998 20:52:04 +0100
Subject: newsletter DIE ZEIT 16. Januar 1998
Sender: zeit-newsletter@pluto.ecce-terram.de

Briefe aus dem Bergwerk (68. Lieferung)

„Schwere, dicke Regentropfen prasseln ploetzlich vom Himmel,
und die kleine Gruppe, die sich am Fuss der Flugzeugtreppe
auf dem Vorfeld versammelt hatte, flieht in ihre Autos.
Wenig spaeter steht der sehnlich Erwartete in der Tuere der
Maschine, und der Spuk ist vorueber, es hoert auf zu
regnen.“

nein, das ist nicht die zentrale Passage aus den endlich
entzifferten Qumran-Rollen vom Toten Meer, in der
geschildert wird, wie der Messias in Jerusalem einschwebt
und zum Auftakt fuer gutes Wetter sorgt, nein, ist sie
nicht.

vielmehr handelt es sich um die ersten beiden Saetze des
Buchs „Ein Tag in Deutschland“, in dem der Besuch von Jesus,
Bloedsinn, von Bill Gates in – richtig – geschildert wird.
Gestern habe ich das in Weihrauch und Myrrhe gebundene
Buechlein von einem Juenger des Meisters (Business Manager
for Puenktelpuenktelpuenktel) geschenkt bekommen, als
verspaetetes Weihnachtsgeschenk & vertrauensbildende
Massnahme.

gesuelzt hat das Protokoll des eintaegigen Ausflugs nach
Germany ein gewisser Doc Josef Oehrlein vom FAZ-Magazin,
passagenweise wird auch gebetet, womit wir zwar nicht beim
Thema waeren, aber das mal bewaeltigt waere.

#

was stattdessen ansteht? Mein Lebens-Rucksack, der sich die
vergangenen Wochen ueber gefuellt hat, mit Oehrlein und
Kekslein von Muttern und einer Gebrauchsanweisung, wie man
korrekterweise Dominosteine isst.

kurze Erklaerung fuer nicht-norddeutsche Leser: der
Dominostein ist ein mit Schokolade ueberzogenes Wuerfelchen;
er besteht aus drei Schichten (Marzipan, Gelee, Kuchen), die
in einem aufwenigen Verfahren verleimt werden.

weil die Dinger so kompliziert herzustellen sind, gibt es
sie nur zwei Monate lang im Jahr (November & Dezember), dann
aber immer und ueberall, was ich nur loben kann, denn die
kleinen Wuerfel sind es wert, dass sie beim naechsten
eintaegigen Besuch von Jesus Gates kredenzt und
anschliessend von Oehrlein penibel abgeschildert werden,
aber ich schweife ueber und zwar direkt zu:

Michael S.

#

den Herren kennen Sie bereits. Er ist der Held aus der 64.
Lieferung und wird auch „der Umtauschtycoon“ genannt. Ihm
verdanke ich die Lektionen, wie man rot uebermalte
Gardinenstangen & fuenfundzwanzig Jahre alte
Hochzeitsgeschenke umtauscht (gegen Bargeld) und wie man den
schichtverleimten Schokowuerfel korrekt isst.

ich erregte naemlich seinen Aerger, als ich einfach in den
Dominostein biss, worauf Michael S. empoert ausrief: „Ein
Querbeisser!“ Was folgte, war ein peinliches Verhoer, das
mit dem kategorischen Urteil endete, es gebe nur zwei
legitime Formen des Dominostein-Essers: den „Einwerfer“
und den „Schichtesser“.

wie ersterer vorgeht, ist klar; zweiterer knabbert den
Wuerfel schichtweise ab, zerlegt das kunstvoll verleimte
Ding also in seine Bestandteile – ob bei Kuchen oder
Marzipan beginnend, ist egal, zumindest nach der „lex
michaelis“.

#

das fuehrt mich direkt zum naechsten Herrn in meinem
Rucksack, der nicht nur zu zweifelhafter Metaphernbildung
anregt, sondern ebenfalls gerne darueber doziert, dass
Speisen nur in geordnetem Zustand gegessen werden sollten.

der Mann im Rucksack heisst Sebastian M., auch gerne „der
Assi“ genannt. Er macht gerade eine schwierige Phase durch,
weil er „uhu“, also „unter hundert“ kommen will – Kilogramm
naemlich. Das fuehrt dazu, dass er beim Stehitaliener die
Speisekarte studiert und ueberlegt, welche Gemuese-Suppe zu
welchem Gemuese-Hauptgang passt. Abschliessend trinkt er
einen Espresso mit Zitrone. Die Kohlehydrate sind im
naechsten Quartal wieder dran.

#

interessant waere nun zu beobachten, wie Sebastian M. einen
Dominostein isst. Eigentlich muesste er von jedem
Dominostein eine Schicht abnagen und den Rest aufheben. Er
koennte aber auch eine Nage-Gemeinschaft bilden und zwar am
besten mit zwei anderen „uhus“, von denen der eine fuer die
Marzipan-, der zweite fuer die Gelee- und der dritte
(Sebastian?) fuer die Kuchenschicht zustaendig ist.

sollte sich das eingespielt haben, steht einem Besuch beim
Umtauschtycoon nichts mehr im Wege. Den muss der Assi
unbedingt kennenlernen, denn er hat einen Koffer voller
Dinge, die dringend mal getauscht resp. zurueckgegeben
werden muessten.

#

Sebastian M. ist naemlich von der Angst erfuellt, nicht
wieder in das Hotelzimmer hineinzukommen, das er gerade
bezogen hat. Deshalb nimmt er stets den Schluessel oder die
Magnetstreifen- oder Lochkarte auf seine Exkursionen mit.
Dagegen ist prinzipiell nichts einzuwenden, wuerde der
panische Assi nicht jedesmal bei der Abreise vergessen, die
Schluessel zurueckzugeben.

so hat sich im Lauf der Jahre in seiner Wohnung ein
veritabler Haufen von Hotelschluesseln angesammelt. Am
unangenehmsten, so S.M., seien die mit den riesigen
Holzknueppeln bzw. Metallknochen dran, aber das sei auch
schon egal. Mal sehen, was der Fachmann dazu sagt.

#

jetzt gebe ich noch einmal kurz zurueck zu Oehrlein.

„Oehrlein?“
„Ja?“
„Wie lautet uebrigens der letzte Satz Ihres Buches ueber
Bill Gates? Ja, Sie wissen schon, nachdem er wieder
abgeflogen ist, back to the USA?“
„Draussen sind unterdessen schwere Wolken aufgezogen, und es
hat heftig zu regnen begonnen.“

in diesem Sinne

ENERGIE & KRAMEN SIE HIN UND WIEDER
IM RUCKSACK IHRES LEBENS!

Ihr

Anko Ankowitsch

PS: eben erreicht mich eine E-Mail von Doc Frank Moebius
(mailto:fmoebus@gwdg.de), die ganz ausgezeichnet zu den
sintflutartigen Regenfaellen draussen passt.

darin schreibt der Doc: „Welche Gelegenheit fuer einen armen
Bergwerker! Und fuer seine vielleicht noch aermeren Leser!
Geld fuer alle Kumpels! Herzlich grueszend: FM“

darunter klemmt eine lange Liste von Menschen, die den
nachfolgenden Text bereits erhalten und vorwaertst (deutsch fuer: „forwarded“ – copyright by Martin V.) haben. Er
lautet:

„Hello everybody,
My name is Bill Gates. I have just written up an e-mail
tracing program that traces everyone to whom this message is
forwarded to. I am experimenting with this and I need your
help. Forward this to everyone you know and if it reaches
1000 people everyone on the list will receive $ 1000 at my
expense. Enjoy.
Your friend, Bill Gates“

nun machen Sie mal!

(digitally remastered by Klemens P., Berlin)

ZEIT-newsletter 04.98 vom 16. Januar 1998

Weitere News

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.