Wie Krautreporter in Person von Andrea Hanna Hünniger daran scheitert, wenigstens eine konsistente These zu formulieren
18.06.2014
Liebe Andrea Hanna Hünniger,
eigentlich wollte ich erst abwarten, wie es bei den Krautreportern weitergeht, um mich gegebenenfalls noch mal zu Wort zu melden. Da Sie sich aber in einem Beitrag in Ihrem FAZ-Blog (16. Juni 2014) explizit auf meine Wortmeldung vom 6. Juni 2014 beziehen, schreibe ich doch noch etwas. Und zwar Folgendes.
Es ist phaszinierend zu beobachten, wie ein Projekt wie die „Krautreporter“ in seinem Kern so ungenau und schwer verständlich bleiben kann, wo es doch von Journalistinnen und Journalisten getragen wird. Denn nach meinem Verständnis zeichnen sich JournalistInnen durch zweierlei aus: Dass sie unmissverständlich erklären können, was sie meinen; und dass sie die Materie, derer sie sich annehmen, gedanklich einigermassen durchdrungen haben.
Leider bestätigen Sie in Ihrem Blog-Beitrag diesen Eindruck des Nebulosen und Undurchdachten nicht nur, sondern verstärken ihn auch noch. Und das aus folgenden 3 Gründen.
1. Beobachtung: Sie haben kein Gefühl dafür, wo man als Journalistin welche Texte veröffentlichen sollte (und wo besser nicht). Denn anstatt die Homepage der Krautreporter mit Ihren Überlegungen zu füttern, veröffentlichen Sie sie lieber in Ihrem FAZ-Blog. Das verstehe ich nicht.
Die Krautreporter haben immer wieder betont, dass sie die Definition dessen, was jetzt kommt, gemeinsam mit der „Crowd“ erarbeiten wollen. Der logische Schluss aus diesem Ansatz scheint mir, dass auf der KR-Homepage ein Diskurs darüber gestartet wird (wie es eben geschehen ist – als geschlossene Veranstaltung für Mitglieder). Ein wesentliches Element solcher Diskurse sind Wortmeldungen von Leuten wie Ihnen. Und zwar am Ort des Geschehens, bei den KR.
Aber was tun Sie? Sie enthalten den Krautreporter-Mitgliedern Ihre Wortmeldung vor und publizieren sie stattdessen in Ihrem FAZ-Blog. Warum nur? Ich weiss – im Internet ist alles bloss einen Klick voneinander entfernt. Dennoch bleibt Ihre Wahl der Publikationsplattform rätselhaft.
– Sind Sie nicht angetreten, um den Online-Journalismus zu reparieren? In Opposition zu Nichtverstehern wie den etablierten Medien? Warum benutzen Sie dann deren Debatten-Plattform?
– Vermischen Sie da nicht auf unzulässige Weise Ihren Job (FAZ-Blog) und Ihren Sprung ins eigene Business (Krautreporter)? Ist Ihnen überhaupt bewusst, dass es sich da um einen Interessenskonflikt handeln könnte?
– Liegt Ihnen gar nichts an den Kommentaren unter Ihrem FAZ-Blog-Eintrag? Sie stammen von jener „Crowd“, die Sie in Ihre neue Plattform einbinden wollen – und nun tragen Sie durch die Wahl der Publikations-Plattform dazu bei, dass sich diese (wertvollen) Rückmeldungen in alle Internet-Winde zerstreuen und nicht bei KR akkumuliert werden.
2. Beobachtung: Sie formulieren in Ihrem Text Sätze, die unoriginell sind, unklar bleiben oder Teil jenes Problems sind, das Sie anprangern. Eine zweifelhafte Arbeitsprobe für das, was da kommen soll.
Es beginnt mit dem unsäglichen Titel Ihres Blogeintrags. Er lautet: „Sie werden kaum ertragen, was Ihnen hier mitgeteilt wird“. Ich weiss, ditte is Ironie. Sie ist nur mittlerweile derart durchgenudelt, dass Sie sich die Einwände dagegen problemlos zusammengugeln können. Ich erspare uns eine Auflistung.
Dann kommt Ihr erster Satz. Und das Unglück nimmt seinen Lauf. Der Satz lautet: „Im Netz hat ein Kahlschlag der Simplifizierung stattgefunden.“
Einmal abgesehen davon, dass der Satz missverständlich formuliert ist (Sie meinten wohl, dass die Simplifizierung einen Kahlschlag angerichtet hat, und zwar „im Wald der Komplexität“, um das Bild zu ergänzen), reproduziert der Satz genau jene radikale Simplifizierung, die Sie beklagen. Sie behaupten nämlich, dass es im Netz nur mehr simples Zeug zu lesen gibt und sonst nichts. Das ist Unfug. Sie sind also mit Ihrem Satz Teil jenes Problems, das Sie beklagen. So wie die Krautreporter insgesamt („Der Online-Journalismus ist kaputt.“).
Weiter unten kommt dann der nächste Satz: „Wie schön wäre denn ein Raum im Internet, der sich nicht darauf spezialisiert, gut klickbare Überschriften zu erzeugen“. Ja, der wäre schön. Wie war noch gleich der sperrige Titel Ihres Blog-Eintrags? Ach ja: „Sie werden kaum ertragen …“ Und der bei den KR? Ach ja: „Zehn fantastische Gründe, Krautreporter zu unterstützen. Nummer 7 hat …“ Ach ja, Ihre These gilt ja nicht für das eigene Tun, weil Sie ja den Trick als eine der „Guten“ anwenden. Sie meinen mit Ihrer Kritik die „Bösen“ da draussen. Das ist, religiös gesprochen, Pharisäertum, das sich als Ironie tarnt.
Noch ein Stück weiter unten verlieren Sie sich dann endgültig selber aus den Augen. Sie schreiben: „Zurück an den Ort des Verbrechens. Genau da wollen wir Geschichten wachsen lassen, in guter journalistischer Tradition. Als eine von 28 Krautreportern bin ich mitgelaufen, Schlachtenbummlerin. Um es gleich mal ganz selbstkritisch zu formulieren: Wir waren Mörder und Kriminalisten zugleich.“ Liest man diese Passage, beginnt man sich Sorgen zu machen, Sie könnten den Überblick verloren haben, welche Rolle Sie nun spielen wollen. Mir jedenfalls erschliesst sie sich nicht. Ganz zu schweigen von den Metaphern-Feldern, die Sie mit den Begriffen eröffnen.
3. Beobachtung: Sie schlagen sich auf die Seite idealistischer JournalistInnen, wo Sie nicht hingehören, denn die Krautreporter haben ein Businessmodell wie alle anderen Internet-Unternehmen auch.
Damit kommen wir zu jener Passage Ihres Textes, in dem Sie sich auf mich beziehen. Sie fassen meine Kritik an den KR zusammen, ich verlangte von den KR, dass sie „lieber selbst in Vorleistung gehen sollten, statt jetzt schon etwas zu versuchen“. Dann heisst es weiter: „Da wurde mir etwas klar. Wir sind darauf abgerichtet, maximal marktwirtschaftlich zu denken, Banken zu beknien, Schulden zu machen, Beweise zu liefern. Wir können nur noch in Marken denken. Und das hat mich, Achtung, zu Tränen gerührt.“
Sie verstehen also mein Argument, dass man für die Durchsetzung eigener Visionen nötigenfalls Schulden machen muss, als Ausdruck unserer (meiner) Abrichtung, „maximal marktwirtschaftlich zu denken“. Dass wir nur mehr in diesen unerträglichen, die Menschen zum Weinen bringenden Kategorien denken könnten: Geld! Schulden! Markenbildung! Während Sie (und die Krautreporter) eben ganz anders seien. Was, sagen Sie nicht, aber ich tippe auf „idealistisch“.
Wenn Sie das tatsächlich gemeint haben (ganz macht das Ihr Text leider nicht klar), dann haben Sie bisher noch nicht darüber nachgedacht, was die Krautreporter ausmacht. Die haben nämlich, wie alle anderen Projekt auch, ein Businessmodell. Überraschung! Also eine Vorstellung davon, wie man Geld einnimmt und wieder ausgibt. Die KR funktionieren da genauso wie alle anderen Unternehmen auch. Sie denken marktwirtschaftlich. Und sie denken in Marken. Wer, wenn nicht die Krautreporter, haben es in den vergangenen Wochen verstanden, eine starke Marke zu bilden und diese zum eigenen Vorteil einzusetzen! Davon können die „anderen“ sehr vieles lernen.
Der einzige Unterschied zwischen den „anderen“ und den Krautreportern besteht darin, woher jeweils das Geld kommt. Während die „anderen“ zur Bank oder zur vermögenden Oma gehen, um sich eins zu leihen, haben Sie es bei vielen Menschen eingesammelt. Ihr Weg, an Geld zu kommen, ist deutlich entspannter, als der Weg all jener, die zur Bank gehen; die will es bekanntlich eines Tages wieder zurück ? während die Krautreporter es bereits haben und behalten, was immer sie auch liefern mögen. Mit der einzigen Ausnahme: Die Seite würde nie online gehen, was aber nicht geschehen wird.
Das bedeutet: Die KR sind – was die von Ihnen angesprochenen Phänomene anlangt ? aus demselben Holz geschnitzt wie alle anderen auch. Es gibt also keinen Grund, das eigene Modell für moralisch hochstehender zu halten als das der anderen. Zumal die Krautreporter mittlerweile über die imposante Summe von 1 Million Euro verfügen. Die bringt eine neue Dynamik ins Spiel, ganz ohne Zweifel.
Zum Abschluss noch eine kurze persönliche Bemerkung: Ich bin gespannt, mit welchem Konzept die Krautreporter an den Start gehen und freue mich darauf. Als langjähriger Redakteur u.a. für DIE ZEIT können Sie mir glauben, dass ich für jede Form von Qualitätsjournalismus zu haben bin.
In diesem Sinne: viel Glück,
Ihr Christian Ankowitsch
Hier können Sie Andrea Hanna Hünnigers Blog-Beitrag lesen
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