Beschränkte Journalisten im Blindflug
14.02.2014
Neue Briefe aus dem Bergwerk*
1. Lieferung (14/02/2014)
Wer wissen will, wie blind Journalisten für das eigene Tun sind, der muss sich nur die kleine Geschichte durchlesen, die sich vor kurzem ereignet hat und zwar am 7. und 8. Februar 2014.
Sie ist schnell erzählt und bereits ausreichend dokumentiert.
Der kleine, sympathische Wiener Sonderzahl Verlag verschickte an vieleviele Journalisten eine Email. Darin schrieb der Verlag (so auch an mich):
„Da Sie sich in der von der Firma re-book marketing kommunikation (Bonn) zur Verfügung gestellten Liste möglicher Interessenten für unser Verlagsprogramm befinden, wollen wir Sie darauf hinweisen, dass der Sonderzahl Verlag ab 2014 seine Vorschau auch in digitaler Version (PDF per E-Mail, siehe Anhang) zur Verfügung stellt.“ Wer die Vorschau ab nun digital haben wolle, solle sich melden.
Einziger Fehler an der Sache: Wer nun auf diese Email antwortete, sandte seine Nachricht an ALLE Journalisten, die auf der erwähnte Liste standen.
Nach spätestens zwei, drei Emails mussten das allen Journalisten klar sein, denn schon kurze Zeit später schrieb „A. De MArchi-Pilotto“ aus der Schweiz:
„Bitte hören sie sofort auf, Mails zu versenden.
Meine Mailbox wird seit einer Stunde mit Protestmails von Unbekannt bombardiert.
Stop it!“
Doch was geschah? Liessen die solcherart angemailten Journalisten die Sache auf sich beruhen? Denn das wäre der einfachste und naheliegendste Weg gewesen, das Gespamme abzustellen. Einfach stille sein.
Aber Journalisten und stille sein? Ha! Da hatte man ja jemanden beim Blödsein ertappt und das musste beantwortet werden.
So geschah, was geschehen musstet: Von nun an schickte ein Journalist nach dem anderen eine Email in die Runde, in der er sich weitere Zusendungen verbat, auf das schärfste und überhaupt seien die Wiener die grössten Schwachköpfe der Welt.
Dieses Verhalten ist deshalb so absurd, weil es dem eines Menschen aufs Haar gleicht, der an der eigenen Haustüre läutet und glaubt, das nervige Läuten dadurch abstellen zu können, dass er immer weiter an seiner Haustüre klingelt.
Mir erscheint diese Email-Geschichte deshalb so paradigmatisch (und tragisch zugleich), da sie zeigt, wie Journalismus mitunter funktioniert: Die Journalisten stellen eine mediale Realität überhaupt erst her, die es ohne sie nicht gegeben hätte. Sobald sie sie aufgeblasen haben, stellen sie sie anschliessend in ihren Medien als das Letzte dar, das ihnen jemals untergekommen sei. Und treiben damit die Sache weiter voran bis in die totale geistlose Eskalation.
Ich weiss, alte Story. Aber selten so schön zu studieren wie in diesem Falle.
Und ich weiss, dass meine Anregung, Schweigen und Stillesein als journalistische Kardinaltugend zu etablieren, so hoffnungslos naiv ist, dass ich jetzt an meine Haustüre gehe, um ein wenig zu klinkeln.
„Aufhören, Ankowitsch!“
*Anm.: Vor vielen Jahren habe ich einmal eine Online-Kolumne auf der zeit.de namens „Briefe aus dem Bergwerk“ geschrieben. Themen: Was mir so zuflog, worüber ich stolperte, woran ich mich selber erinnern wollte, worüber ich mir dachte, es sei es wert, mich aufzuregen. Jetzt hatte ich das Gefühl, dass ich damit einfach lose weitermachen könnte. Mal sehen, wie es wird.
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